Ein kenianischer Weihnachtsabend

Ein kenianischer Weihnachtsabend
Frau Schmitt sitzt in ihrer Wohnung und ärgert sich. Die neuen Nachbarn über ihr sind schon wieder so laut. Sie hört das Trampeln von Kinderfüßen an ihrer Decke. "Muss das denn sein?", schimpft sie. Die Familie, die aus irgendeinem afrikanischen Land zu stammen scheint, war ihr von Anfang an unsympathisch. Und überhaupt: Sie ist mehr als enttäuscht von ihren eigenen Kindern. Sie dachte, wenigstens an Weihnachten kommen sie ihre beiden Töchter mit ihren Kindern besuchen. Stattdessen sitzt die alte Dame allein in ihrer Zweizimmerwohnung, löffelt ihre Tütensuppe und sieht sich die Sieben-Uhr-Nachrichten an. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Und diese Nachbarn sind so rücksichtslos, denkt sie sich. Plötzlich stoppt das Geräusch von Schritten. Frau Schmitt horcht auf. Es klopft an ihrer Wohnungstür. Hat sie sich verhört? Nein, es klopft noch einmal. Vielleicht kommen ihre Töchter sie doch besuchen? Sie greift nach ihrem Gehstock und macht sich auf den Weg zur Tür. Als sie diese öffnet, stehen dort aber nicht etwa ihre eigenen Kinder, sondern die Sprösslinge der neuen Nachbarn. "Hallo Frau Schmitt", beginnt der Größere von beiden zu sprechen, "unsere Mama lässt fragen, ob Sie etwas mit essen möchten? Wir haben zu viel gekocht und dachten, sie hätten gerne Gesellschaft." "Pff, Gesellschaft? Sehe ich etwa einsam aus? Und außerdem habe ich gerade gegessen!", fährt die alte Dame die beiden Jungen an. Erschrocken zucken diese zusammen. Die Augen des kleineren von beiden - er war vielleicht vier oder fünf Jahre alt - beginnen sich schon mit Tränen zu füllen. Frau Schmitt dreht sich wieder in Richtung ihrer eigenen Wohnung, als sie das Bild ihrer Enkelin an der Wand erblickt. Sie wendet sich wieder zurück zu den Kindern. "Na gut, für ein paar Minuten kann ich ja nach oben kommen." So schlimm wird es schon nicht sein, denkt sie für sich. Die Vorstellung, wieder alleine in ihren vier Wänden zu sitzen, lockt sie jedenfalls nicht gerade. Sie folgt den Jungs die Treppen nach oben in deren Wohnung. "Frau Schmitt! Schön, dass Sie da sind. Mein Name ist Amani, das ist mein Mann Asante", sie deutet auf den großen freundlich blickenden Mann am Tisch, "und meine beiden Söhne Jabari", der größere der Jungen winkt, "und Kito kennen Sie ja schon. Wir sind gerade erst hergezogen und würden uns freuen, wenn Sie den Weihnachtsabend mit uns verbringen. Ich hoffe, wir haben Sie nicht gestört." Verblüfft über diesen freundlichen Empfang schüttelt Frau Schmitt nur den Kopf. Die Wohnung ist hell und bunt und es duftet bereits herrlich nach Gewürzen und Knoblauch. Kito zerrt an ihrer Strickjacke. "Vorlesen du?", blickt er sie bittend an. "Kito, wir wollen gleich essen, außerdem hat Frau Schmitt nicht viel Zeit", meldet sich jetzt der Vater zu Wort. "Nein, nein, das geht schon in Ordnung. Eine Geschichte sollten wir schaffen", unterbricht die Dame ihn und setzt sich auf das bunte Sofa. Die beiden Jungs bringen ihr ein kleines Weihnachtsbuch und klettern auf ihren Schoß. Gerührt beginnt Frau Schmitt die Weihnachtsgeschichte vorzulesen. Am Ende wird es ein richtig schöner Abend und Frau Schmitt, die sich sonst oft einsam gefühlt hat, lädt so oft es möglich ist, die beiden Nachbarskinder zu sich ein, um ihnen vorzulesen und sie mit Keksen zu verwöhnen.

Autor: froheweihnachten.info

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